Für die meisten von uns war Freitag Ausflugtag.

Schon gestern hatten wir die Möglichkeit uns für unterschiedliche „field trips“ ins Umland von Cluj anzumelden. Nach anstrengendem straffen Programm in der Veranstaltungshalle tut es uns gut frische Luft zu schnappen und etwas mehr von Rumänien zu sehen.

Die erste Gruppe brach schon am frühen Morgen mit 100 Teilnehmer*innen nach Roșia Montana auf.

Idsc06562n Stunden in kleinteiligen Arbeitsgruppen, Diskussionen, Plena, etc. der vorherigen Tage, tat es außerdem sehr gut bei strahlend blauem Himmel, vorbei an ziehenden Schäfer_innen, aus der Stadt heraus durch die wunderschöne Herbstlandschaft zu fahren. Der Weg in das Bergdorf hat uns erneut das Bild einer starken, kleinstrukturierten Landwirtschaft gezeigt, welche von immerhin 60% der rumänische Bevölkerung noch gelebt wird.

In Rosia Montana haben wir dann, aufgeteilt in zwei Gruppen, einen Gang durch das Dorf gemacht. Raluca Vasile von Slow Food Bukarest hat übersetzt was ein Bewohner des Dorfes, Calin, erzählt hat. Rosia Montanas Geschichte ist seit vor der Römerzeit mit der des Goldabbaus verbunden, die Tradition und der Stolz darüber stark ausgeprägt und umrankt von Geschichten und Legenden. So gibt es 19 Stollen unter dem zentralen Dorfplatz, die von den Römern gebaut wurden, wo das antike Gold abgehauen wurde. (Eugen merkte an dass die Städte Rom und Bukarest ohne Rosia Montana nicht in ihrem gewohnten Gold leuchten würden!)

dsc06665Als im 18. Jahrhundert ein Bewohner des Dorfes wieder auf Gold stieß, ging das Goldeldorado erneut los. Der Reichtum jedoch konzentrierte sich auf den Pionierfinder, der daraufhin sieben Kirchen, Schulen und öffentliche Einrichtungen im Dorf bauen ließ. Die zahlreichen Kirchen, die in maximal zweihundert Meter Abstand stehen, zeugen immer noch davon.

In die römische Goldmine führte uns der wahrscheinlich enthusiastischste Reiseführer in ganz Rumäniens. Eine Frage stellte er immer wiede: Welchen Wert das Gold in den Bergen? Welchen Wert hat das kulturelle Erbe der ganzen Bergregion?

Eugen und seine Familie, Mitglieder bei ecorruralis, haben uns mit einem grandiosem Festessen bei sich auf der Farm begrüßt, wo wir mit einem wunderschönen Ausblick, umgeben von Kühen und Hühner an einer langen Tafel zusammen gegessen haben. Dies war sicherlich einer der schönsten und gemeinschaftlichsten Momente des Tages, auch weil der Ort einer der wenig sichtbaren Widerstandsorte gegen die Goldmine in dem Dorf war.

dsc06701Allgemein war der Ausflug sehr schön, aber auch zwiespältig; das Thema der Goldmine schien sehr belastet und es war schwierige genauere Informationen dazu zu bekommen, ob und wie der Widerstand dazu geführt hat, dass es nicht zur Inbetriebnahme der kanadischen Goldmine gekommen ist. In späteren Gesprächen hat sich dann heraus gestellt dass es innerhalb der Gruppe von Menschen, die noch im Dorf leben, gespaltenen Gefühle gibt, was die Positionierung für oder gegen den Widerstand gegen die Mine angeht- ein starkes Bestreben des Dorfes scheint zu sein, diese Geschichte hinter sich zu lassen um die Gegend touristisch erschließen und nutzen zu können.

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Das Gefühl, das von dem Tag in Rosia Montana bleibt ist ein erleichtertes; darüber, dass dieses Dorf und die wunderschöne Umgebung nicht abgebaggert und mit Cyanid belastet worden sind. Gleichzeitig bleiben viele unbeantwortete Fragen zurück und der erhoffte Austausch von Widerstandsstrategien, die wir auch auf unsere Kämpfe übertragen können, blieb leider aus.

Neajlova und Alunișu

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Zwei weitere Gruppen mit je 50 Leuten verteilten sich gegen Mittag auf zwei Reisebusse, ausgestattet mit liebevoll geschmierten Broten aus der Küche ging es nach Neajlova und Alunișu.

Bei der Ankunft auf dem Hof in Neajlova werden wir herzlich vom jungen Landwirt des Ziegenhofes und zwei Vertreter*innen des Dorfes begrüßt. Seit 2007 bewirtschaftet er zusammen mit drei festangestellten Hirt*innen und seinen Eltern den von seinem Vater übernommenen Hof mit 300 Ziegen, 4 Kühen und 2 Pferden.

Wir schauen uns die Käserei an, wo die gesamte Milch zu Weich- und Hartkäse verarbeitet wird. Bisher werden alle Ziegen per Hand gemolken, ab nächster Saison werden hierzu die neu angeschafften Melkmaschinen verwendet. Außerdem sollen die Lämmer früher von den Müttern abgesetzt werden, um den Milchertrag zu steigern.

Diese Entwicklung stimmt uns nachdenklich. Denn das Forum findet dieses Jahr unter anderem in Rumänien statt, da hier noch die meisten kleinbäuerlichen Strukturen im europäischen Raum vorhanden sind. Um diese kennenzulernen, von deren immensen Erfahrungsschatz zu lernen und sie langfristig in ihrem Bestehen zu unterstützen, treffen wir uns hier. Es ist traurig auch hier zu sehen, dass Modernisierung anscheinend immer mit dem Verlust von Tradition und dem Zwang zu Wachstum einhergeht. Können wir Modernisierung nicht in dem Sinne verstehen und praktizieren, dass die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert werden und ein gutes Leben von und mit der kleinbäuerlichen Landwirtschaft möglich ist?

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Zu einem unglaublich reichhaltigen Mittagessen wurden wir zum Abschluss von der Dorfgemeinde ins Kulturzentrum eingeladen. Sowohl die Familie des Hofes als auch Bürgermeister, Lehrer der Grundschule und eine Vertreterin der lokalen Initiative für rumänische Kleinbäuer*innen stießen mit uns mit einem Gläschen Palinka an. Wir waren überwältigt von so viel Gastfreundschaft, sodass wir nicht nur mit vollen Bäuchen , sondern voller Zufriedenheit in den Bus zurück stiegen.

[Zum Ausflug nach Alunișu folgt ebenso in Kürze mehr]