Auf Deutschlandfunk lief am 4.1.2014 eine Sendung unter dem Titel „Essen ist politisch“. Gäste im Studio waren Hendrik Haase, Blogger und aktiv bei Slow Food Youth, und Christian Heymann, Bio-Bauer und Initiator des „SpeiseGut„.
Die mp3 zum Nachhören:
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2015/01/03/drk_20150103_0905_900abed2.mp3
Die Realität im Laufe des Jahres sieht oft anders aus: Wir nehmen uns immer weniger Zeit fürs Essen. Die Fläche für Fertigprodukte in den Supermärkten wächst rasant, die Zahl der Bauern, Bäcker und Metzger sinkt. Gleichzeitig wird ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel verschwendet und landet auf dem Müll, in den Industrieländern sogar etwa die Hälfte.
Was aber geht verloren, wenn immer mehr Bauern ihre Landwirtschaft durch den Preisdruck aufgeben müssen? Was bedeutet es, wenn wir nicht mehr selbst kochen, sondern unser Essen nur noch in der Mikrowelle erwärmen? Wie sieht es aus um die Tradition unserer regionalen Küche?
Die politische Seite der Ernährung
„Wenn man Politik herunter bricht auf die Frage, wie wir Gesellschaft gestalten wollen, dann spielt Essen eine wichtige Rolle“, sagt Hendrik Haase. Der Kommunikationsdesigner hat sich dem guten Essen verschrieben – nicht nur privat, sondern auch als Food-Aktivist. Er versucht, das Thema „gutes Essen“ – vor allem auch die politische Seite unserer Ernährung – durch originelle und medienwirksame Aktionen an die Leute zu bringen.
Als Mitbegründer des weltweit aktiven „Slow Food Youth Networks“ organisiert er „Eat-Ins“ und „Schnippeldiskos“, bei denen junge Leute gemeinsam Zutaten schnippeln, kochen, essen – und tanzen, um weltweit gegen die Lebensmittelverschwendung zu kämpfen.
Für seine Diplomarbeit mit dem Titel „Stadt – Land – Wurst“ ging er der regionalen Wursttradition und Küche in Deutschland auf die Spur. Er ist zudem Botschafter der „Ahlen Wurscht“, einer nordhessischen Spezialität; sein Blog trägt den programmatischen Namen „Wurstsack“.
„Wollen wir eine Bäckerei oder einen Backshop?“
Seine Überzeugung: „Essen hat etwas mit Tradition zu tun, mit meiner Identität. Und eben auch mit dem Verlust von Identität. Ich frage die Leute oft: ‚Gibt es bei euch noch Bauern? Und sind die unter 35?‘ Wer hat noch Kontakt zu Bauern, zu den Produzenten unserer Lebensmittel? Jedes Dorf hat mittlerweile Discounter vor den Toren. Und die Frage ist doch: Will ich meinen Kindern eine Biogasanlage zeigen oder einen richtigen Bauernhof? Wollen wir noch eine Bäckerei haben oder einen Backshop, der Eingefrorenes aufbackt?“
„Ich möchte Verbraucher und Produzenten zusammenbringen“, sagt Christian Heymann. „Wer einmal drei Stunden auf dem Acker mitgeholfen hat, ist auch bereit, etwas mehr für seine Möhren zu bezahlen.“ Der Landwirt hat sein „SpeiseGut“ am Rand von Berlin auf Basis der „solidarischen Landwirtschaft“ organisiert.
Jeder kann Anteile erwerben und so zum Co-Bauern werden. Für einen Monatsbeitrag von derzeit 55 Euro bekommen die Teilnehmer ihren Anteil der Ernte jede Woche nach Hause geliefert. Aber sie müssen sich verpflichten, auf dem Acker mitzuhelfen.
„‚SpeiseGut´ ist aus der Idee heraus entstanden, stadtnah zu wirtschaften, viele Leute zu erreichen mit gutem, frischen Gemüse, aber eben auch mit einem nachhaltigen Modell. Ein Modell, wo man nicht drei Millionen in die Hand nehmen muss, um irgendwo einen Hof zu kaufen.“
„Mir geht es auch um den politischen Weg“
Und ein Modell, das ohne Subventionen und billige Saisonarbeiter auskommt, regional vermarktet und die Produkte zu einem transparenten Preis anbietet. Derzeit sind 130 Anteilseigner beteiligt, der Andrang ist aber so groß, dass Christian Heymann weitere Flächen erwerben will.
„Mir geht es auch um den politischen Weg, zu zeigen: Liebe Lebensmittelindustrie, liebe Landwirtschaftsminister, liebe Kritiker: Es geht! Mein Ziel ist, die solidarische Landwirtschaft in den gesellschaftspolitischen Dialog zu bringen.“